"Es geht sehr viel um Vertrauen"

24. Januar 2021

"Es geht sehr viel um Vertrauen" SPD-Stadtrat Johannes Schätzl will Direktkandidat für den Bundestag werden – Delegierte entscheiden

"Es geht sehr viel um Vertrauen"

In der Bällekammer muss Ordnung herrschen. Auch dafür sorgt Johannes Schätzl als 1.Vorsitzender des SV Haag eigenhändig. −Foto: Preuß

Er wohnt in Haag in der Stadt Hauzenberg, arbeitet als Informatiker bei der ZF in Passau und ist ein begeisterter Fußballer. SPD-Stadtrat Johannes Schätzl (27) wird bei der Nominierungsversammlung am Samstag, 30.Januar, vom SPD-Unterbezirksvorstand als Direktkandidat für den Wahlkreis Passau bei der Bundestagswahl im September 2021 vorgeschlagen. Im PNP-Gespräch erläutert er seine Beweggründe. Der Entschluss, sich als Direktkandidat für den Bundestag zur Verfügung zu stellen, fällt ja nicht spontan, reift eher langsam. Wie war das bei Ihnen und was hat Sie letztlich zu dem Schritt bewogen?

Johannes Schätzl: Ich sitze jetzt seit 2014 für die SPD im Hauzenberger Stadtrat. Parallel dazu habe ich mich immer schon im Vereinsleben engagiert, bei der Wasserwacht beispielsweise und jetzt als Vorsitzender des SV Haag. Die Erfahrungen dabei haben mich sehr motiviert. Entscheidungen mit Augenmaß zu treffen, eine Sache voranzutreiben, gesellschaftliches Leben mitzugestalten macht mir Riesenspaß. Es begeistert mich geradezu. Vor einem Jahr etwa habe ich den Gedanken gefasst, eventuell den Schritt vom ehrenamtlichen Kommunalpolitiker hin zum Berufspolitiker zu gehen, im Sommer dann unseren Unterbezirksvorsitzenden Christian Flisek um Rat gefragt. Und der kennt mich, weil ich als studentische Hilfskraft fast vier Jahre für ihn gearbeitet habe. Nach einem längeren Telefonat mit ihm kurz vor Weihnachten habe ich dann zugesagt.

Falls Sie kommenden Samstag nominiert würden als Direktkandidat, welche Chancen rechnen Sie sich bei den Wahlen aus? Schätzl: Es wird sicher schwer, sich gegen einen amtierenden Bundesminister Andreas Scheuer durchzusetzen. Da bin ich Realist genug. Aber ich will mit meinem Erststimmenergebnis überzeugen und bei den Zweitstimmen das zweitbeste Ergebnis in Passau holen.

Welche Qualifikationen sollte ein Berufspolitiker mitbringen? Schätzl: Ich glaube, es geht sehr viel um Vertrauen. Die Menschen sollten Vertrauen in einen Politiker und in die Entscheidungen der Politik haben können. Das muss ein Politiker herstellen können. Außerdem gehört Berufserfahrung dazu. Man sollte wissen, wie der Arbeitsalltag ausschaut und was Menschen umtreibt.

Ist dieses Vertrauen denn verloren gegangen? Schätzl: Nehmen wir die Corona-Pandemie als Beispiel. Das Vertrauen in die Maßnahmen der Regierung, also von Bund und Land, war anfänglich sehr groß, hat aber in den letzten Tagen aus meiner Sicht gelitten. Eine Ursache dafür war für mich die unsinnige 15-Kilometer-Regel. Das war nur Aktionismus mit geringer oder gar keiner Wirkung. Und auch die Impfstrategie, aus Kostengründen zurückhaltend zu bestellen, führte zu einem Vertrauensverlust. Und den haben auch Frau Merkel, Herr Spahn und eine Ursula von der Leyen zu verantworten.

Welche politischen Schwerpunkte würden Sie im Fall einer Wahl setzen? Schätzl: Als Informatiker wäre die Digitalisierung ein Schwerpunkt meiner Arbeit. Die schreitet mit einer unglaublichen Geschwindigkeit voran. Und wir hinken hinterher. Dabei ist die Digitalisierung die Demokratisierung der Kommunikation im Internet. Darauf muss man vorbereitet sein. Dazu müssen wir in der Schule erheblich aufholen, schon in der Grundschule damit beginnen. Kinder müssen mit digitalen Risiken und Gefahren umzugehen wissen. Dazu bedarf es besserer Personalausstattung mit IT-Fachleuten und erheblicher Finanzmittel für die Schulen. Außerdem ist für mich die Pflege von alten, kranken und behinderten Menschen ein Generalthema. Rund 40000 junge Leute leisten bundesweit ein freiwilliges soziales Jahr ab, ergreifen anschließend vielfach einen Pflegeberuf. Bereits hier muss mit einer entsprechenden Bezahlung angesetzt werden. Auch erschließt sich mir das herrschende Lohngefälle vom Kranken- zum Altenpfleger überhaupt nicht. Finanziert werden könnte das Ganze über einen Pflege-Soli.

Im Hauzenberger Stadtrat haben Sie sich häufiger auch für erleichtertes Bauen eingesetzt. Schätzl: Ein ganz wichtiges Thema. Bauen muss finanzierbar bleiben. Während in den Großstädten mit dem Mietendeckel und anderen Instrumenten der Handlungsschwerpunkt auf bezahlbare Mieten gelegt wird, ist dies im ländlichen Raum eher das bezahlbare Wohneigentum. Natürlich spielt der Flächenverbrauch dabei eine Rolle. Deshalb muss die Altbausanierung attraktiver gemacht werden. Das flache Land darf aber auch nicht als Flächensparer für Großstädte missbraucht werden. Letztlich geht es mir dabei um die Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem Land, wobei die Digitalisierung wiederum eine wesentliche Rolle spielt. Arbeitsplätze und Wohnen bedingen sich aber gegenseitig. Die Bevölkerung muss auch auf dem Land wieder wachsen.

Wie sehen Sie in Corona-Zeiten die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt? Schätzl: Kurz- und Leiharbeit sind grundsätzlich wichtige Instrumente, um Konjunktur- und Fertigungsspitzen einerseits abzufangen, aber auch Krisen zu bewältigen. Wer mit seinem Vollzeitjob aber gerade so viel verdient, dass es zum Leben reicht, dem wird das Kurzarbeitergeld zum Leben eben nicht mehr reichen. Und Leiharbeiter sind oft unterbezahlt. Für mich gilt aber der Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Wie findet Johannes Schätzl Ausgleich zum Berufsalltag? Welche Hobbys hat er? Schätzl: Beruflich sitze ich sehr viel vor dem Computerbildschirm. In der Freizeit entspanne ich mich beim Handwerken, vor allem arbeite ich gerne mit Holz, fertige das ein oder andere Möbelstück auch selbst. Ich jogge viel im Freien und spiele seit meinem sechsten Lebensjahr leidenschaftlich gerne Fußball, immer schon bei meinem Heimatverein, dem SV Haag.

Dort spielen Sie ja in der 1.Herrenmannschaft. Schätzl: Ja. Der filigrane Techniker bin ich zwar nicht gerade und spiele deshalb auf der Verteidiger-Position. Da muss man viel laufen und kämpfen, manchmal auch bissig sei. Das kann auch im Leben und gerade in der Politik sicher nicht schaden. Die Fragen stellte Helmut Preuß. Quelle PNP.

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