Hauzenberg. Es wird viel diskutiert, oft dagegen demonstriert und nur wenig informiert über die geplanten großen Freihandelsabkommen zwischen Europa und den Ländern jenseits des Atlantiks. Der SPD-Unterbezirk Passau hat nun auf Wunsch des Hauzenberger Ortsverbandes einen Sonderparteitag zu diesen Themen einberufen. Bezirksvorsitzender Christian Flisek hatte dazu seinen Kollegen aus dem Bundestag Dirk Wiese mitgebracht, der sich als Berichter im Wirtschaftsausschuss mit der Materie auskennt.
"Freihandel ja, aber nicht um jeden Preis"Nicht hinter verschlossenen Türen wie in Brüssel wolle man die Regularien für die Abkommen diskutieren, stellte Christian Flisek heraus. Wer die Thematik auf ein schlichtes Ja oder Nein reduziere, habe sich nicht die Mühe zur gründlichen Aufarbeitung gemacht, kritisierte er andere Parteien im Bundestag. Rational und kritisch müsse über die Details gesprochen werden und dazu gehöre auch die Meinung der Bürger, die mit ihren Vorbehalten oft alleine gelassen würden. "Freihandel ja, aber nicht um jeden Preis", war das Statement des Abgeordneten.
Wollen die Handelsabkommen mitgestalten: (v.l.) Ortsverbandsvorsitzender Hauzenberg Andreas Anetzberger, Ortsverbandsvorsitzender Wotzdorf Tobias Semik, Landtagsabgeordneter Bernhard Roos, die Bundestagsabgeordneten Christian Flisek und Dirk Wiese, Stadtverbandsvorsitzender Johannes Seiser sowie der SPD-Kreisvorsitzende Andreas Winterer. − Foto: Donaubauer
"TTIP und CETA greifen unmittelbar in die Lebensbereiche der Menschen in der Region ein", unterstrich SPD-Ortsvorsitzender Andreas Anetzberger und verlangte Gehör für ihre Bedenken. Die politisch Verantwortlichen sollten sich nicht hinter europäischen Entscheidungen verstecken. "Junge Menschen wollen ihre Zukunft mitgestalten", betonte er mit Blick auf die Inhalte der geplanten Ab-kommen.
"Wir suchen nach Antworten und gehen kritisch mit dem politischen Geschehen um", unterstrich auch SPD-Stadtverbandsvorsitzender Johannes Seiser. Die globalen Abkommen hätten Auswirkungen auf die kleine Welt der Bürger. Recht unterschiedlich nehme er die Reaktionen auf die Freihandelsabkommen bei Unternehmen und Arbeiterschaft in den Export orientierten Betrieben wahr, berichtete Landtagsabgeordneter Bernhard Roos von seinen Gesprächen mit entsprechenden Vertretern. Nicht die Debatten aus der Vergangenheit führten weiter, sondern die Auseinandersetzung mit den aktuellen Inhalten.
Zur Gestaltung der Globalisierung gehörten Handelsabkommen, sagte Bundestagsabgeordneter Dirk Wiese. "Offene Märkte brauchen Regeln", begründete er diese Feststellung. Diese Regeln müssten jedoch transparent sein und dürften die Bedürfnisse im eigenen Land nicht benachteiligen. Weil die WTO (Welthandelsorganisation) derzeit nicht handlungsfähig sei, entstünden unzählige Abkommen zwischen Ländern, ohne der geopolitischen Herausforderung gerecht zu werden.
"Derzeit praktisch eingefroren"Das geplante Freihandelsabkommen TTIP sei derzeit praktisch eingefroren und werde wohl erst nach den Wahlen in USA je nach deren Ausgang erneut auf dem Verhandlungstisch liegen oder für immer einschlafen. Aus den Konferenzsälen in Brüssel gebe es bisher 226 Seiten Schriftsätze in den Leseräumen des Bundestages. Nur sechs Seiten davon seien zustimmungsfähig. Anders verhalte es sich mit dem Handelsabkommen CETA mit der kanadischen Regierung. Hier seien im Zusammenwirken verlässliche Grundlagen zwischen der Europäischen Union und Kanada entworfen worden. Jetzt sei noch Luft, im laufenden Ratifizierungsprozess Änderungen einzubringen. Die SPD nutze diese Zeit zur Information der Bevölkerung und zur Mitwirkung der Parteibasis bei der Gestaltung der Regeln.
Bearbeitet werden müssten die Negativlisten, in denen bisher nationale Werte zu wenig beachtet würden. Die kommunale Daseinsvorsorge sei in den Entwürfen nicht deutlich genug festgeschrieben. Einige Vereinbarungen wie der Schutz vor genveränderten Lebensmitteln seien im Entwurf enthalten. Jetzt sei die Zeit der Aktivitäten aus der Basis, damit SPD-Politiker in Deutschland und bei der EU Einfluss auf die endgültige Gestaltung der Verträge nehmen könnten.
Dieser Aufforderung war der SPD-Unterbezirk schon mit einem Leitantrag an den Parteikonvent in der kommenden Woche in Wolfsburg nachgekommen. Dieser Antrag lag den Delegierten des Unterbezirks Parteitages zur Abstimmung vor. Drei Punkte werden die zwei Delegierten aus Niederbayern mitnehmen. Sie lauten: Der SPD Unterbezirk Passau lehnt die Ratifizierung von CETA in der jetzigen Form ab. Auf Wunsch des Hauzenberger Stadtverbandes wurde hinzugefügt, dass die Bundesregierung aufgefordert werde im EU-Ministerrat die Zustimmung zu verweigern. Mit diesem Einwand will man den Weg für Nachverhandlungen freihalten. Weiter werden Europäische Kommission, Europäisches Parlament und Bundestag aufgefordert, CETA so zu ändern, dass es die hohen europäischen Umwelt-, Arbeits-, Verbraucher- und Tierschutzbestimmungen nicht unterläuft.
Schließlich wird für künftige Abkommen mehr Transparenz und mehr Bürgerbeteiligung verlangt. Nahezu einstimmig nahmen die Mitglieder des Sonderparteitages den Leitantrag an.