SPD Stadtverband Heringsessen 2018 - Die Wahl zwischen Pest und Cholera

Diskutieren mit den SPD-Mitgliedern, was dafür und dagegen spricht, erneut mit der CDU/CSU eine Große Koalition zu bilden und Regierungsverantwortung zu übernehmen: Stadtrat Willi Urmann (v. l.), die vorgeschlagene Bezirkstagskandidatin (Passau-Ost) und P

17. Februar 2018

Hauzenberg. Eines hat die traditionelle Fischverköstigung des Stadtverbandes im Gasthaus „La Plata“ auf den Tisch gebracht: Die Mitglieder haben sich schon festgelegt, ob sie beim Votum, das ab dem 20. Februar läuft, für oder gegen die „GroKo“ stimmen werden. Eine am Mittwochabend durchgeführte Blitzumfrage von Stadtrat Johannes Seiser zeigte, dass es bei 150 Anwesenden nur zwei Unentschlossene gab, der Rest weiß schon, ob er mit „Ja“ oder „Nein“ stimmt. Mag aber durchaus sein, dass sich im Laufe des Heringsessens die Meinungen wieder änderten. Leidenschaftlich und kontrovers diskutierten die Mitglieder, die auch Abschnitte des 177-seitigen Koalitionsvertrages zerlegten. Wie die SPDler dann tatsächlich abstimmen, bleibt im Verborgenen. Dem Stadtverbandsvorsitzenden Johannes Seiser war und ist wichtig, dass niemand beeinflusst wird oder sich als Gegner beziehungsweise Befürworter der „GroKo“ outen muss.

Es ist ein brisantes Thema, das die SPD-Anhänger dieser Tage umtreibt. Landauf, landab, geht es um die alles entscheidende Frage: Soll die SPD wieder mit der CDU/CSU regieren, oder nicht? Diskutiert wird am Stammtisch, in der Familie, am Arbeitsplatz, und auch beim Heringsessen in der „La Plata“, wo in den Jahren davor eher das Kommunalpolitische und bewusst nicht das Bundespolitische in den Mittelpunkt gerückt wurde. Johannes Seiser wollte erreichen, dass sich die Mitglieder ein Meinungsbild verschaffen können und ein Stimmungsbild erhalten. Es ist ihm gelungen, auch wenn er mehr als überrascht darüber war, dass sich die Mehrheit ohnehin schon festgelegt habe. Er betonte, dass neutrale Auswertungen zu dem Ergebnis kommen, dass zwei Drittel des Wahlprogramms in den Koalitionsvertrag hineingeflossen seien. Die Handschrift der SPD sei deutlich erkennbar. Seiser zitierte Merkel und stellte die gegenwärtige Situation als „alternativlos“ dar. „Wenn wir nicht in die GroKo eintreten, gibt es entweder eine Minderheitsregierung mit einem Ablaufdatum in der laufenden Legislaturperiode, oder eine Neuwahl. Und dann müssen wir froh sein, wenn wir als SPD noch 15 Prozent bekommen. Wir werden wieder Federn lassen müssen.“ Er gab zu, von Anfang an auf der Seite von Schulz gewesen zu sein. Am Wählerwille sei kein SPD-Regierungsauftrag erkennbar gewesen. Doch nach dem Aus von „Jamaika“ sei eine völlig neue Situation im Land und für die SPD eingetreten. „Wir haben jetzt die Wahl zwischen Pest und Cholera. Cholera ist mir da schon lieber, denn Pest ist schwarz“, verdeutlichte Seiser das Dilemma. Seine Partei bekäme gewichtige Ministerien, mit viel Gestaltungsspielraum. Auch ging er auf die vielen „roten Themen“ ein, die man durchgeboxt hat, darunter das Ende der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen. Man dürfe nicht anderen das Heft des Handelns überlassen. Ein ganz anderes Bild zeichnete Erhard Balzer. Die Große Koalition sei in der Demokratie eine Ausnahme, bei uns werde diese zur Regel. „Der Wähler wird es uns nicht honorieren. Mit einer Großen Koalition stärkt man erneut den rechten Flügel. Wir müssen in die Opposition gehen und dort wieder fundamental von unten anfangen, ansonsten werden wir noch mehr verlieren.“ Die Meinungen sind unterschiedlich, das macht die SPD aus. Denn völlig anders sehen es Alois Holzinger und Stadtrat Willi Urmann. „Bei Neuwahlen, da gratuliere ich Euch. Da kriegen wir keine 15 Prozent mehr. Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als zu regieren, sonst machen wir uns selber fertig. Wir können uns nur in der Regierung erneuern. Und wenn wir unser Programm durchziehen können, wird es auch wieder nach oben gehen. Die SPD hat jetzt die große Chance zu zeigen, was sie drauf hat, und was sie alles für die Arbeitnehmer tut“, so Holzinger. Und Urmann pflichtete ihm bei: „Wenn ich das schon höre, damit wir uns erneuern können, müssen wir in die Opposition gehen. Wir sind in Bayern seit Jahrzehnten in der Opposition, und wo stehen wir?! Bei Neuwahlen kommt Schwarz-Gelb heraus, oder wieder eine Große Koalition, und wir schmeißen unseren Koalitionsvertrag dann leichtfertig weg. Wir vernichten unsere Partei noch mehr, wenn wir in die Opposition gehen.“ An anderer Stelle hieß es, dass das Ergebnis, das da verhandelt wurde, hervorragend für die Sozialdemokraten ausgegangen sei. Hätte man noch einen Tag länger verhandelt, hätte man wohl auch noch den Bundeskanzler stellen dürfen, war in einem satirischen Beitrag zu hören. Angela Merkel habe die halbe CDU verkauft, um Bundeskanzlerin bleiben zu können. „Wir müssen regieren, wir können doch unseren Einfluss nicht aufgeben“, sagte Hans Meisinger. „Wir reden uns selber schlecht. Es ist basisdemokratisch, dass wir Schulz daran erinnert haben, dass er Wortbruch begangen hat.“ Der Ruheständler griff auch die Verunsicherung auf, die in der Gesellschaft herrsche. Die AfD habe die Angst strategisch gut für ihre Zwecke aufgegriffen und sich als Heilsbringer dargestellt. „Egal ob Digitalisierung oder Zuwanderung. Vieles hat uns überrollt, und viele sind damit einfach überfordert oder haben Angst. Wir brauchen eine Gesellschaft, die gelernt hat, mit Veränderungen umzugehen. Veränderung ist das Normalste von der Welt. Und wir brauchen ein starkes Europa, das zusammenhält und zusammenwächst.“ Die vorgeschlagene Bezirkstagskandidatin Katja Reitmaier erinnerte daran, dass man nach zwei Jahren GroKo eine „Überprüfungsmöglichkeit“ habe und Zwischenbilanz ziehen könne. „Da haben wir ja noch eine Stellschraube, an der wir drehen können. Da haben wir dann ja noch ein Druckmittel in der Hand, und können schauen, ob wir gut unterwegs sind. Deshalb sollten wir es auf alle Fälle versuchen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Egal wie es weitergeht, und egal wie es ausgeht, fest steht: Der Fisch „GroKo“ schmeckt nicht allen. Aber den SPD-Mitgliedern ist durchaus bewusst, dass sie womöglich ab dem 20. Februar ein Votum abgeben werden, dass die Partei jahrzehntelang prägen wird.

Quelle PNP(Foto: Windpassinger)

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